Meine lieben Foodies,
es war in den letzten Wochen etwas stiller in eurem Postfach - aus gutem Grund. Heute möchte ich euch von einem Herzensprojekt erzählen, das vorherige Woche endlich das Licht der Welt erblickt hat: CHEF:IN, die erste Watch List für Deutschlands führende Küchenchefinnen. Hier könnt ihr auf Insta folgen!
Alles begann bei einem Mittagessen in der Edda Brasserie in Ulm. Ich saß am Tisch von Alina Meissner-Bebrout und war vom ersten Moment an fasziniert. Ihre coole, charismatische Art, ihre klare Vision von moderner Gastronomie und ihre Herangehensweise an regionale Produkte - all das ließ mich nicht mehr los. Vor allem aber diese eine Frage: Warum gibt es eigentlich keine Watch List für diese beeindruckenden Frauen, die mit ihren innovativen Konzepten die deutsche Gastronomie neu definieren?
Als Foodjournalistin beim stern höre ich seit über zehn Jahren die immer gleichen, ermüdenden Erklärungen: "Frauen sind nicht tough genug." "Die wollen doch lieber Familie." "In der Patisserie sind sie besser aufgehoben." Jedes Mal stellen sich mir die Nackenhaare auf. Die Realität sieht anders aus: Die Herausforderungen in der Spitzengastronomie sind für alle immens - Dienste von morgens bis Mitternacht, permanente Wochenendarbeit, 16-Stunden-Tage für einen perfekten Service bei niedrigen Gehältern. Dazu kommen maximaler Druck, die Forderung nach Perfektion und körperliche Höchstleistung. Eine Vereinbarkeit mit Familie? Nahezu unmöglich.
Trotz dieser Hürden entwickeln immer mehr Köchinnen neue, zukunftsweisende Konzepte: geteilte Führungspositionen, faire Arbeitszeiten, familienfreundliche Strukturen. Doch das strukturelle Problem bleibt: In den patriarchalischen Strukturen fördern Männer bevorzugt Männer, Köchinnen kämpfen gegen Vorurteile und erleben häufig Sexismus. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Von den 340 Sterneköchen im Guide Michelin Deutschland 2024 sind gerade einmal 14 Frauen - das sind magere 4 Prozent. Dass trotzdem immer mehr Frauen in der Spitzengastronomie erfolgreich sind, zeigt ihre außergewöhnliche Stärke.
Gemeinsam mit Anja Wasserbäch von der Stuttgarter Zeitung haben wir beschlossen: Das muss sich ändern. CHEF:IN ist mehr als nur eine Watch List - es ist eine Bewegung. Wir schaffen eine aktive Community, in der sich Frauen vernetzen, inspirieren und stärken können. Die Resonanz ist überwältigend: Unser Instagram-Reel zu den Köchinnen hat bereits über 60.000 Aufrufe

Was wir mit CHEF:IN erreichen wollen? Wir dokumentieren nicht nur den Status quo, sondern gestalten aktiv die Zukunft der deutschen Gastronomie mit. Durch monatliche Porträts, tiefgehende Interviews und Events erzählen wir die Geschichten dieser außergewöhnlichen Köchinnen. Wir zeigen ihre kulinarische Philosophie, ihre Führungsstile und wie sie die Branche modernisieren - mit flexiblen Arbeitszeiten, fairen Arbeitsbedingungen und einer Kultur des gegenseitigen Respekts.
Die erste Watch List 2025 präsentiert 18 herausragende Küchenchefinnen, darunter Julia Leitner vom Zwei-Sterne-Restaurant Coda, Alina Meissner-Bebrout vom Bi:braud (ein Stern) und Edda, sowie zukunftsweisende Talente wie Sophia Hoffmann vom Happa. Sind alle talentierten Köchinnen dabei? Bei weitem nicht - und genau das macht uns so glücklich. Denn es zeigt: Da ist noch so viel mehr zu entdecken, zu würdigen und sichtbar zu machen.
Im Frühjahr steht die nächste Guide Michelin Verleihung an - wir sind gespannt, ob sich etwas bewegt. Aber unabhängig davon werden wir weitermachen. Mit CHEF:IN schaffen wir eine Plattform, die nicht nur dokumentiert, sondern aktiv vernetzt und inspiriert. Denn die Zukunft der Gastronomie ist vielfältig, gerecht und definitiv weiblicher.
Alle Infos zu CHEF:IN findet ihr unter www.chefin.watch
Drei Restaurants, die ihr unbedingt besuchen solltet
Ihr seid hungrig geworden? Hier kommen drei absolute Empfehlungen für eure nächsten Restaurant-Besuche in Hamburg, Berlin und Ulm.
Haebel, Hamburg
Von der Tarterie zum Sternelokal: Das Haebel ist erwachsen geworden - und wie! In dem Mini-Restaurant in der Paul-Roosen-Straße zelebrieren Küchenchef Kevin Bürmann und sein Team eine unaufgeregte, präzise Sterneküche. Die Kürbis-Consommée mit Vadouvan ist ein Geschmackskracher, der falsche Hase aus Wachtel mit Ei eine clevere Neuinterpretation. Gastgeberin Jule-Fee Poll und Sommelier Christoph González machen aus dem Dinner ein rundum stimmiges Erlebnis. Flora-Menü (139 Euro) oder Fauna-Menü (169 Euro) - hier wird Sterneküche entstaubt und jung interpretiert.
Hallmann & Klee, Berlin
Sarah Hallmann, wurde 2023/2024 als Gastronomin des Jahres vom Gault Millau ausgezeichnet, begeistert mit einer Küche, die klar, präzise und voller Tiefe ist. Das geniale Zusammenspiel von Wagyu & Sonnenblume, die handgemachten Pici als Cacio e Pepe mit Belper Knolle und das legendäre Signature-Dish mit Kartoffel, Molke und Liebstöckel - hier stimmt einfach alles.
Edda Brasserie, Ulm
Alina Meissner-Bebrout zeigt, wie moderne Gastronomie funktioniert: Ihre Interpretation schwäbischer Klassiker ist innovativ und bodennah zugleich. Die vegetarische Maultasche mit Morchel-Rahm-Sößchen begeisterte sogar Tim Raue. Besonders beeindruckend: Mit der Vier-Tage-Woche und fairen Arbeitsbedingungen setzt sie neue Standards in der Branche.
Interview im stern: "Ich habe keinen Bock, mit Kaviar um mich zu schmeißen"
Apropos Alina Meissner-Bebrout: Im großen stern-Interview spricht die 34-jährige Sterneköchin über ihren Weg in die Spitzengastronomie, wie sie mit ihren zwei Restaurants in Ulm die Krise meisterte und warum sie lieber auf regionale Produkte statt auf Luxuszutaten setzt. Das ganze Gespräch könnt ihr hier nachlesen!
Das war's für heute von mir. Ich freue mich riesig, dass ich endlich dieses Herzensprojekt mit euch teilen konnte. CHEF:IN ist für mich mehr als eine Watch List - es ist der Beginn einer Bewegung, die hoffentlich viele von euch inspiriert und motiviert.
Bleibt hungrig auf Veränderung! Eure Denise
P.S.: Mehr über meine kulinarischen Entdeckungen und natürlich auch Updates zu CHEF:IN findet ihr wie immer in meinen Instagram-Stories @essenmitdenise